Perfektionismus in der Führung: Fluch oder Segen?
Perfektionismus in der Führung ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite kann er Dich zu Höchstleistungen antreiben, auf der anderen Seite kann er Dich aber auch unter enormen Druck setzen. In diesem Artikel möchte ich Dir zeigen, wie Du hohe Standards setzt, ohne Dich selbst oder Deine Mitarbeitenden zu überfordern.
Perfektionismus in der Führung ist ein zweischneidiges Schwert. Die eine Seite der Medaille ist, dass er Dich dazu bringen kann, Dich ständig zu verbessern und Dich so von der Masse abzuheben. Ausserdem hilft er Dir dabei, dass die Arbeit in sehr guter Qualität erledigt wird und die Kunden mehr als zufrieden sind. Als perfektionistische Führungskraft schaffst Du es, dass alles (nahezu) perfekt läuft, dass es keine Probleme gibt, dass alle glücklich sind, dass die Ziele übertroffen werden, dass alle motiviert im Flow-Zustand mitschwingen.
Klingt super, oder? Klingt aber auch nach viel Zeit und Energie.
Und da sind wir auf der anderen Seite der Medaille: Perfektionismus kann Dich unter enormen Druck setzen, Dich an Dir selbst zweifeln und Dich über Fehler (vor allem Deine eigenen) ärgern lassen. Er kann Dich stressen, weil es Dir nicht schnell genug geht, weil Du viel Zeit in Kontrolle investierst, weil ein Mitarbeitender nicht die erwartete Leistung bringt und überhaupt es eigentlich besser wäre, wenn Du es gleich selbst machst.
In diesem Artikel möchte ich Dir zeigen, wie Du einen gesunden Perfektionismus in der Führung entwickelst, der Dich motiviert, aber nicht stresst. Ausserdem möchte ich Dir einige Tipps geben, wie Du als Führungskraft mit Perfektionismus umgehen kannst, ohne Deine Gesundheit oder die Beziehungen zu Deinen Mitarbeitenden, Kollegen und Vorgesetzten zu belasten.
Meine Reise mit Perfektionismus in der Führung
Glaub mir, ich kenne das Gefühl sehr gut, perfekt sein zu wollen. Ich war schon immer ehrgeizig (ohne über Leichen zu gehen!) und wollte mich beweisen. Zeigen, was ich drauf habe. Ich setzte mir hohe Ziele und verlangte mir viel ab. Ich konnte damit ein Stipendium herausholen, eine steile Karriere machen und grosse Erfolge erzielen. Aber es hatte mich auch oft gestresst und frustriert bis kurz vor der totalen Erschöpfung.
Dabei hatte ich nur versucht alles richtig zu machen, keine Fehler zu machen, alle zufrieden zu stellen. Ich hatte aber nicht nur viel von mir selbst verlangt, sondern auch von meinen Mitarbeitenden. Zu Beginn meiner Führungskarriere hatte ich viel kontrolliert, korrigiert, kritisiert. Ich dachte, dass ich ihnen damit helfe besser zu werden. Aber in Wirklichkeit hatte ich ihnen nur das Gefühl gegeben, dass sie „nichts“ recht machen können, dass sie nicht gut genug sind, dass ich ihnen nicht vertraue. Ich hatte ihre Motivation, ihr Engagement, ihr Selbstvertrauen damit untergraben.
Ich musste im Laufe der Jahre schmerzlich lernen, dass zu viel Perfektionismus in der Führung nicht nur mir schadete, sondern auch meinen Mitarbeitenden.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Du liest diesen Artikel, also bist Du vermutlich Perfektionistin oder Perfektionist. Stell Dir vor, Du hast ein wichtiges Projekt vor Dir, das viel von Dir abverlangt. Du willst alles perfekt machen, keine Fehler machen, alle Erwartungen erfüllen. Du legst die Messlatte sehr hoch, arbeitest hart, gibst Dein Bestes. Diese Einstellung ist grundsätzlich positiv, denn sie zeigt, dass Du hohe Ansprüche an Dich selbst hast und Dich nicht mit Mittelmässigkeit zufrieden gibst. Aber was passiert, wenn Du merkst, dass Du nicht alles schaffst, dass Du Fehler machst, dass Du Kritik bekommst? Wie gehst Du damit um? Und welche Auswirkungen hat das auf Deine Mitarbeitenden?
Aus meinen eigenen Praxis-Erfahrungen, aus der Zusammenarbeit mit meinen Kundinnen und Kunden und dem psychologischen Wissen aus meinen Ausbildungen zur Coach und Mentorin gebe ich Dir gerne einen Einblick in die unterschiedlichen Ausprägungen des Perfektionismus in der Führung und was es für Dich oder Dein Team in der Konsequenz bedeutet.
Die Kunst der Wertschätzung
Für Dich: Perfektionisten sind oft hart zu sich selbst. Sie meinen mit noch mehr, noch länger, noch intensiver ihre Ziele noch besser erreichen zu können. Anstatt Dich selbst zu kritisieren, was Du alles wieder nicht geschafft hast, oder Dich zu ärgern, was nicht geklappt hatte, solltest Du regelmässig Deine Führung reflektieren und Dich selbst wertschätzen und anerkennen. Für ein gutes Selbstmanagement solltest Du Dir jeden Tag Zeit nehmen und reflektieren, wie der Tag gelaufen ist und was Du für Dich mitnimmst. Halte am besten schriftlich fest, was Dir alles gut gelungen ist und was Du alles erledigen konntest. Wichtig ist für Deine Planung, dass Du Dir realistische Wochen- oder Tagesziele setzt, Dir ausreichend Zeit dafür einplanst und nicht dauerhaft über Dein Limit gehst.
Für Dein Team: die hohe Messlatte, die Du für Dich selbst setzt, ist nicht unbedingt die gleiche Messlatte für Deine Mitarbeitenden. Analysiere immer zuerst, welcher Mitarbeitende in welchem Thema stark ist und Kapazität hat, gute Arbeit zu leisten. Und wenn diese Person Deine Erwartungen nicht erfüllt hat, erst dann analysierst Du, woran es liegen könnte und suchst das Gespräch, um Demotivation auf den Grund zu gehen. Jede und jeder Mitarbeitende hat ein anderes Lern- und Arbeitstempo, aber auch Leistungsniveau. Kritisiere daher nur, wenn deren Messlatte nicht erreicht wurde, nicht Deine. Lobe und wertschätze regelmässig Deine Mitarbeitenden, wenn sie einen guten Job gemacht haben.
Fehler als Sprungbrett zum Erfolg
Für Dich: Perfektionistinnen machen keine Fehler. Perfektionistinnen überdenken, überarbeiten, kontrollieren – damit niemand einen Fehler findet. Und wenn doch? Enttäuschung pur. Gefühlte Blamage auf der ganzen Linie. Aber: Fehler sind unvermeidlich und gehören zum Menschsein dazu. Anstatt Dich von ihnen entmutigen zu lassen, solltest Du sie als Chancen sehen, Dich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Du kannst und sollst nicht alles kontrollieren (Micromanagement) und es gibt manchmal Faktoren, die Du einfach nicht beeinflussen kannst. Akzeptiere Deine Schwächen und suche Dir Menschen in Deinem beruflichen Umfeld, die Dich gut ergänzen und Aufgaben aus Deinem Schwächenbereich übernehmen können. Und vor allen Dingen: nutze die Zeit, die Du sonst für die zweite, dritte und vierte Überarbeitung verwendest, um es vielleicht noch mal einen Ticken besser zu machen, lieber für andere Prioritäten auf Deiner Agenda.
Für Dein Team: Spring über Deinen Schatten und gib eigene Fehler zu (auch wenn es Dir als Perfektionistin widerstreben könnte). Das macht Dich menschlich und Du unterstützt den Aufbau einer gesunden Fehlerkultur. Zeige Deinem Team, dass Fehler normal sind, weil Menschen Menschen und keine Maschinen sind. Reiss eine Aufgabe nicht an Dich, weil es bei der Mitarbeitenden im ersten Versuch daneben ging. Gib Deinen Mitarbeitenden die Chance aus Fehlern zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.
Kritik als Baustein der Weiterentwicklung
Für Dich: Perfektionisten fällt es schwer Kritik zu bekommen. Sie haben ja schon immens viel Zeit und Energie investiert. Kritik ist aber nicht per se negativ, sondern kann Dir auch helfen, Dich weiterzuentwickeln. Anstatt Dich von ihr verletzen zu lassen, solltest Du sie konstruktiv aufnehmen und versuchen, daraus zu lernen. Hol Dir regelmässig Feedback ein, um Dein Selbstbild mit der Sichtweise anderer zu ergänzen. Du solltest auch wissen, dass Du es nicht immer allen recht machen kannst und dass es immer unterschiedliche Meinungen und Perspektiven geben wird. Wenn Du Dich aber regelmässig mit Deinen Mitarbeitern und Kolleginnen austauschst, könnte ihr gemeinsam die besten Lösungen finden.
Für Dein Team: Perfektionisten sind super darin andere zu kritisieren. Überlege Dir als Führungskraft daher immer, ob Du ein Feedback geben willst, das den Mitarbeitenden wirklich weiterbringt, oder ob Kritik ist, weil das Ergebnis nicht Deinen Ansprüchen genügt. So ungern, wie Du Kritik bekommst, so ungern bekommen es auch andere. Kein Mitarbeitender will per se schlechte Leistung bringen. Wenn es ihnen aber gut geht und sie in ihrem Stärkenbereich arbeiten, wird sich automatisch auch die Motivation und Leistung erhöhen. Lies hierzu auch gerne die Artikel Psychologische Sicherheit und Wohlfühlmanager.
Vertrauensvorschuss als Basis
Für Dich: Perfektionistinnen verlieren das Vertrauen in sich selbst, wenn sie einen Fehler machen. „Wie konnte das ausgerechnet mir passieren“ ist dann ein typischer Satz und Weltuntergangsstimmung setzt ein. Das Ergebnis ist, dass sie noch mehr Zeit und Energie investieren. Besser wäre es, den Fehler abzuhaken und darauf zu vertrauen, dass man sowieso immer 100% gibt. Fehler gehören einfach dazu. (Wo gehobelt wird, fallen Späne.) Verliere Dich nicht darin, warum das jetzt so passiert ist, sondern lern daraus und schau nach vorne.
Für Dein Team: anstatt alles selbst zu machen, „weil Du es am besten kannst“, solltest Du Deine Mitarbeitenden fordern und fördern. Daher ist es essenziell wichtig, dass Du verstehst, wie sie ticken, wo ihre Stärke und Schwächen liegen. Dann kannst Du ihnen nämlich gezielt Verantwortung übertragen und Aufgaben delegieren, mit denen sie sich wohlfühlen und glänzen werden. Und wenn das Projekt oder die Verantwortung noch etwas zu gross sind, dann bietest Du Unterstützung an. Wenn Du aber alles an Dich reisst, machst Du Deine Mitarbeitenden klein und gibst ihnen gar nicht die Chance an ihren Aufgaben zu wachsen. Gib einen Vertrauensvorschuss – auch wenn es Dir als Perfektionistin schwer fallen könnte – und begleite sie auf dem Weg zum Ziel. Am Anfang brauchst Du vielleicht etwas Geduld und es dauert länger, als wenn Du es selbst erledigt hättest. Langfristig wirst Du Dir aber viel Zeit sparen und motiviertere Mitarbeitende haben.
Konflikte vermeiden durch tragfähige Beziehungen
Für Dich: anstatt Dich einzumischen, „weil Du es als Perfektionist sowieso besser weisst“, solltest Du lernen, Dich zurückzunehmen und erst einmal zuzuhören. Wenn Du überall die Nase reinsteckst und mitreden willst, provozierst Du mitunter vielleicht sogar einen Konflikt. Sei offen für andere Meinungen und Perspektiven, aber kommuniziere auch Deine eigene Position klar und respektvoll. Lerne Kompromisse zu finden und gemeinsame Lösungen zu suchen. Wenn Du an einem vertrauensvollen Verhältnis zu Deinen Mitarbeitenden arbeitest, kannst Du die Beziehungen stärken und Konflikte vermeiden.
Für Dein Team: tausche Dich regelmässig einzeln und im Team mit Deinen Mitarbeitenden aus. So erfährst Du, was sie bewegt und wo Du ihnen Unterstützung geben kannst. Sollte es Spannungen geben, schaue es Dir einen kurzen Moment an, ob es sich von alleine löst und interveniere, wenn es bestehen bleibt. Teamkonflikte kannst Du auch spielerisch angehen. Stärke die Beziehungen, indem Du regelmässig positives Feedback gibst und Wertschätzung ausdrückst.
Grenzen kennen und respektieren
Für Dich: Lerne Deine Grenzen zu (er)kennen und zu akzeptieren. Perfektionisten drehen gerne die Extraschlaufe, weil sie es ja vielleicht doch noch besser machen könnten. Das beansprucht extra Zeit und Energie. Lass fünf mal gerade sein, wenn ein Mitarbeitender sich wirklich Mühe gegeben hat, aus Deiner Sicht aber noch mehr möglich gewesen wäre. Oder gib den Projektantrag nach zweimal gegenlesen ab und nicht mehr nach dreimal. Nimm Dir ausserdem regelmässig Zeit für Erholung und Entspannung. Baue kleine Pausen in Deinen perfekt durchgetakteten Tag ein, damit Du nicht in die Erschöpfung läufst.
Für Dein Team: Gleiches gilt für Deine Mitarbeitenden. Fordere sie nicht im gleichen Masse, wie Du Dich forderst. Wenn Du dauerhaft pushst, werden auch Deine Mitarbeitenden früher oder später heiss laufen oder unter dem Druck zusammenbrechen. Spüre daher immer ins Team, wie viel sie noch vertragen oder wer eventuell über der eigenen Leistungsgrenze ist. Klar kannst Du auch über die Leistungsgrenze hinausgehen, das sollte aber dann nur eine befristet Zeit sein. Danach beurteilst Du neu, wer auf ein höheres Niveau gekommen ist und bereit wäre mehr Verantwortung zu übernehmen. Und wer nicht. Beides ist okay. Und vergiss nicht ausgiebig Erfolge zu feiern, wenn Mitarbeitende alleine oder als Team Besonderes geleistet haben. Das hebt die Teamstimmung und schweisst zusammen.
Fazit
Perfektionismus in der Führung kann sehr hilfreich sein, weil grosse Leistung und Ergebnisse erwartet werden können. Er kann aber auch risikoreich sein, weil Du Dich und Dein Team durch eine zu grosse Erwartungshaltung unter Druck setzen kannst. Ich hoffe, diese Perspektive auf Perfektionismus in der Führung regt Dich zum Nachdenken an und gibt Dir Möglichkeiten, eine bessere Balance zu finden.
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